Posttraumatische Belastungsstörung
Ein verkanntes Leiden
Opfer von Unfällen, Naturkatastrophen, (krimineller) Gewalt oder Folter werden oft körperlich und seelisch verletzt. Während die körperlichen Verletzungen meist behandelt werden, werden die psychischen Verletzungen häufig von den Betroffenen selbst verdrängt und von professionellen Helfern verkannt. Personen, die ein extrem belastendes Ereignis – ein sogenanntes Trauma – erlebt haben, berichten oft von Ängsten und Freudlosigkeit und klagen über allgemeine Nervosität. Diese unspezifischen Symptome werden vielfach nicht als Kennzeichen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, also als Folge der massiven psychischen Verletzung verstanden. Diagnostiziert werden Depressionen oder Angststörungen, verschrieben werden Beruhigungsmittel. Werden diese abgesetzt, kehren die posttraumatischen Symptome zurück.
Die Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung
Die psychischen Folgen traumatischer Erfahrungen sind natürlich individuell
verschieden. Dennoch weisen Menschen, die unterschiedlichste traumatisierende
Ereignisse erlebt haben, eine große Anzahl gemeinsamer Symptome auf: Viele
Überlebende von Naturkatastrophen, Opfer krimineller Gewalttaten und politisch
Inhaftierte leiden an einem Symptommuster, das geprägt ist von Schlaflosigkeit
und Alpträumen, von sozialem Rückzug und depressiver Interesselosigkeit,
von extremer Reizbarkeit und übermäßiger Schreckhaftigkeit.
Man unterteilt die zahlreichen Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung
in drei Hauptkategorien: Erinnerungssymptome („Intrusionen“),
Vermeidungssymptome und Übererregungssymptome.
Erinnerungssymptome
„Intrusionen“, ständig wiederkehrende, ungewollte, belastende Erinnerungen
stehen im Mittelpunkt des Störungsbildes. Das ehemals Erlebte geht vielen
Traumatisierten fast ohne Unterlass durch den Kopf, viele machen sich dabei
auch noch selbst verantwortlich für das, was ihnen widerfahren ist. Sie können
die Gedanken, Vorwürfe und Selbstvorwürfe nicht „abschalten“. Die Erinnerungen
drängen sich ihnen immer wieder auf. Die überscharf festgehaltenen Erinnerungen
neigen dazu, besonders vor dem Einschlafen mit qualvoller Gedächtnis-
und Bildschärfe zurückzukehren.
Wie in der Erinnerung tauchen oft auch in Träumen Sequenzen des traumatischen
Ereignisses in überdeutlicher Klarheit auf. Häufig kehren die Träume, aus denen
die Personen oft schweißgebadet aufwachen, in identischer Form immer wieder.
Manche traumatisierte Menschen erleben das Extremerlebnis aber nicht nur in
Gedanken und Träumen wieder. Es kann vorkommen, dass sie plötzlich handeln oder
fühlen, als ob sie das traumatische Ereignis erneut durchleben (Flashback).
Die Erinnerungssymptome sind mit starken Gefühlen verbunden, die die Betroffenen
wiederholt in eine seelische Erschütterung versetzen. Intensives psychisches
Leid erfahren traumatisierte Menschen darüber hinaus oft auch dann, wenn sie
mit Situationen konfrontiert werden, die sie an das traumatische Erlebnis
erinnern.
Vermeidungssymptome
Um sich vor den Belastungen durch die Erinnerungssymptome zu schützen,
versuchen die Betroffenen oft bewusst und unbewusst, Gedanken und Situationen,
die sie an das Erlebte erinnern, zu verdrängen und zu vermeiden.
Häufig ist ein genereller sozialer Rückzug zu beobachten. Die traumatisierten
Menschen nehmen Einladungen nicht an, geben Verpflichtungen und Hobbies abrupt
auf. Überhaupt ist das Interesse an wichtigen Aktivitäten nach einem traumatischen
Erlebnis häufig auffallend vermindert. Dinge, die vor dem Trauma noch für wichtig
erachtet wurden, haben plötzlich für die Traumatisierten keine Bedeutung mehr.
Die Fähigkeiten, Freude und Anteilnahme zu empfinden, sind häufig stark
eingeschränkt. Die Gefühle sind abgestumpft. Häufig mangelt es an Energie
und Ausdauer, Pläne für die Zukunft zu schmieden, die als überschattet erlebt
wird.
Übererregungssymptome
Wer in seinen Gedanken und Gefühlen von Erinnerungen gequält ist, bildet eine innere Übererregung aus, die zu Schreckreaktionen und erhöhter Wachsamkeit, aber auch zu körperlichen Reaktionen, wie ständigem Zittern, führen kann. Häufig sind traumatisierte Menschen extrem reizbar und ständig zu Wutausbrüchen geneigt. Die starke innere Erregung lässt das Einschlafen und Durchschlafen schwerer werden. Traumatisierte mit posttraumatischer Belastungsstörung brauchen länger zum Einschlafen und wachen in der Nacht häufiger auf.
Folgeprobleme
Nach traumatischen Erlebnissen können neben der Posttraumatischen Belastungsstörung auch andere psychische Störungen wie depressive oder Angststörungen auftreten. Oft führt die ständige Übererregung zu körperlichen Beschwerden. Alkoholabhängigkeit und Medikamentenmissbrauch sind ebenfalls häufige Folgeerscheinungen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, da viele der Traumatisierten versuchen, die Erinnerungssymptome und die Übererregung mit Alkohol und Medikamenten zu kontrollieren.
Normale Reaktion auf unnormale Erlebnisse
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann auch bei zuvor völlig gesunden Menschen auftreten, besonders wenn es sich um ein völlig unerwartetes, extrem belastendes Erlebnis handelt. Anzeichen der Posttraumatischen Belastungsstörung treten in der Regel innerhalb von drei Monaten nach dem traumatischen Ereignis auf. Dabei können sie als akute Reaktionen oder chronisch verlaufen. Von einem chronischen Verlauf spricht man dann, wenn die Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung länger als drei Monate andauern. Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann sich jedoch auch nach einer langen symptomfreien Zeit entwickeln. Treten die genannten Symptome sechs Monate nach dem Trauma oder später auf, so spricht man von einem verzögerten Beginn.
Die psychologische Behandlung der PTBS
Die Vermeidung von allem, was an das traumatische Erlebnis erinnert,
verhindert oft, dass traumatisierte Personen professionelle Hilfe aufsuchen.
Während die Posttraumatische Belastungsstörung unbehandelt häufig einen
chronifizierten Verlauf nimmt, erweist sich die psychologische Behandlung
in vielen Fällen als erfolgreich.
Die besondere Schwierigkeit der psychologischen Behandlung der
Posttraumatischen Belastungsstörung besteht in der Gefahr, dass
die traumatisierten Personen die Therapie abbrechen, da die Ausrichtung
der Aufmerksamkeit auf das Trauma häufig für einige Zeit die Symptome
verschlimmern kann. Es ist daher für den Erfolg der Therapie wesentlich,
dass die Patienten nach einer ausführlichen Erfassung der posttraumatischen
Symptome über die Posttraumatische Belastungsstörung aufgeklärt und über das
Therapiekonzept und den Therapie- verlauf informiert werden.
In wissenschaftlichen Studien haben sich psychotherapeutische Maßnahmen als
erfolgreich erwiesen. Die Patienten werden im Verlauf der Therapie aufgefordert,
sich die Situationen des traumatischen Erlebnisses mit all ihren Gedanken,
Gefühlen und Körperempfindungen so lebhaft wie möglich vorzustellen und sie
mit Worten so zu beschreiben, als würden sie sich gerade ereignen. Dadurch
können in der Behandlung auch die besonders belastenden Momente durchgearbeitet
werden. Die fachlich angeleitete Auseinandersetzung mit den traumatischen
Erinnerungen führt zu einem Nachlassen der posttraumatischen Symptome.
Für diesen psychotherapeutischen Prozess können von Fall zu Fall
unterschiedliche Verfahrensweisen gewählt bzw. kombiniert werden.
Hierzu zählen Gespräche zur Bewältigung von Opferrolle, Hilflosigkeit
und Kontrollverlust, Rollenspiele oder die therapeutisch gelenkte,
schrittweise und wiederholte Konfrontation mit der belastenden Situation,
für die auch Tonbandaufzeichnungen von den Schilderungen der belastenden
Situation verwendet werden, die sich der Patient zwischen den Sitzungen
beim Therapeuten zu Hause anhört. Die Einübung von Entspannungsverfahren
kann ebenfalls hilfreich sein.