Behandlung von Depressionen, burn out, Erschöpfung
Was ist eine klinische Depression? Unterschiede zu burn out und Erschöpfung.
Unter einer „Depression“ kann sich jeder etwas vorstellen. Wir verbinden damit
Gefühle wie Niedergeschlagenheit oder Mutlosigkeit. Dennoch wissen viele nicht,
was eine Depression wirklich ist. Kein alltägliches Stimmungstief,
keine vorübergehende Phase der Traurigkeit, sondern eine ernste Erkrankung,
die das seelische und körperliche Wohlbefinden stark beeinträchtigt –
und häufig vorkommt: Etwa 20 Prozent aller Menschen erleiden im Verlauf
ihres Lebens einmal eine depressive Phase. Mindestens jeder 10. Patient
einer Allgemeinarztpraxis hat eine Depression.
Das öffentliche Bewusstsein dafür ist in den vergangenen Jahren zwar gewachsen.
Schwere Depressionen werden mittlerweile zu einem großen Teil richtig
diagnostiziert. Dagegen wird bei den leichteren Depressionen noch immer
nur jeder zweite Fall erkannt, weil die Betroffenen dazu neigen, sich
zusammenzureißen. Sie klagen allenfalls über unklare, allgemeine Beschwerden,
wie Abgeschlagenheit, oder Schlafstörungen. Manche versuchen, ihre
Niedergeschlagenheit durch hektische Aktivitäten zu überwinden.
Die Verzweiflung sprechen sie nicht an. Dahinter verbirgt sich Scham,
für die anhaltend schlechte Stimmung keinen Grund erkennen zu können
und sie nicht in den Griff zu bekommen.
Ein Fallbeispiel
„Ich dachte, ich schaffe es nicht“. „Damals konnte ich mir das alles nicht
erklären: Warum es mir so schwer fiel mich zu konzentrieren. Ständig war
ich müde, unendlich müde. Morgens aus dem Bett zu kommen, kostete mich
enorme Anstrengung. Manchmal blieb ich auch einfach liegen, wie gelähmt.
Ich dachte, das wird jetzt immer so sein. Ich war überzeugt, ich würde
es nicht schaffen, mein Studium, meine Beziehungen, überhaupt mein Leben.
Die Gedanken kreisten nur darum. Hinzu kamen unklare Schmerzen.
Ich fragte mich, was wohl die anderen von mir dachten.“
So erinnert sich Claudia B. an ihre Studienzeit.
Nicht immer ging es ihr so schlecht. Es gab Zeilen. da hellte sich ihre
Stimmung auf. Doch regelmäßig folgten Phasen tiefster Niedergeschlagenheit.
Jahrelang „wurschtelte“ Claudia B. sich so durch. Bei der Arbeit tat sie
sich schwer und konnte eine Kränkung durch einen Kollegen nicht überwinden.
Immer wieder zog sie sich zurück: Blieb morgens im Bett liegen, ging nicht
mehr ans Telefon, ließ sich krankschreiben. Die Trennung von einem Mann
schließlich stürzte die junge Frau in die bisher schwerste Krise. In der
liefen Überzeugung, alles falsch gemacht zu haben, gab sie sich selbst die
Schuld für das Scheitern. Gedanken an Suizid kamen auf. Erst in einer
Psychotherapie wurde Claudia B. klar. dass sich hinter ihrer Verzweiflung
eine Depression verbarg. Mit Unterstützung der Psychologin gelang es ihr
innerhalb einer dreimonatigen Therapie. Hintergründe zu verstehen und die
Symptome zu überwinden.
Erscheinungsbild der Depression
Eine Depression verläuft nicht immer gleich. Es müssen nicht in jedem Fall alle Symptome und diese auch nicht in gleicher Intensität auftreten. Es gibt aber eindeutige Gemeinsamkeiten des Erscheinungsbilds:
Niedergeschlagenheit
Wichtigstes Merkmal ist eine besorgte, niedergedrückte Stimmung, die mehr
als drei Wochen anhält und scheinbar keinen Grund hat. Sie hellt sich
nur selten auf. Die düstere Stimmung ist meist mit dem Gefühl innerer
Leere verbunden. Darüber hinaus leiden Depressive oft unter Angstzuständen
und einem Gefühl der Enge auf der Brust.
Schuldgefühle
Typisch für eine Depression ist die Neigung zu Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen.
Ob etwas schief geht oder jemand anders schlechte Laune hat.
Depressive bezichtigen häufig sich selbst. Ihre Weltsicht ist zutiefst
pessimistisch. Gleichzeitig stellen Depressive hohe Ansprüche an sich
selbst und empfinden eigene Fehler oder Zurückweisungen durch andere
als Katastrophe.
Antriebslosigkeit
ist für viele eine der schlimmsten Beschwerden: Chronische Mattigkeit.
Zerschlagenheit. Müdigkeit. Alles fällt schwer. Kleinste Pflichten und Probleme
türmen sich zu unüberwindbaren Hürden auf. Tätigkeiten, die ihnen früher Freude
bereitet haben, geben Depressive auf. Sie verlieren das Interesse an der Außenwelt.
Auch die sexuelle Energie geht verloren. Die Antriebslosigkeit nährt überdies
ihre Schuld- und Versagensgefühle.
Konzentrationsstörungen
Gedächtnisprobleme und Konzentrationsstörungen kommen oft vor. Manche
Betroffene flüchten sich dann bei ihrer Arbeit in Routinetätigkeiten,
was wiederum ihr schlechtes Gewissen und ihre Versagensgefühle verstärkt.
Typisch für Depressionen sind auch Grübeln und sinnlos kreisende Gedanken.
Sozialer Rückzug
Viele Depressive ziehen sich von ihren Mitmenschen zurück. Sie vernachlässigen
Kontakte und sind ihren Angehörigen nicht mehr zugänglich.
Gefühllosigkeit
Charakteristisch für schwere Depressionen ist das „Gefühl der Gefühllosigkeit“.
Die Betroffenen fühlen sich innerlich wie tot. Sie spüren nichts, keine
Freude, keine Traurigkeit, keinen Ärger. In diesem Zustand sind
Depressive sich selbst fremd. Nach dem Abklingen einer depressiven
Phase können sie dieses Erleben oft gar nicht mehr nachempfinden.
Schlafstörungen
Einschlafprobleme und sehr frühes Aufwachen gehen sehr oft mit Depressionen
einher. In vielen Fällen, aber nicht allen, zeichnen sie sich durch einen
rhythmischen Verlauf aus. Den Betroffenen geht es morgens besonders schlecht,
abends bessert sich ihre Stimmung ein wenig.
Körperliche Beschwerden
Dazu zählen das Gefühl, einen Kloß im Hals zu haben, Kopfdruck oder ein
Mangel an Appetit und Gewichtsverlust. Je schwerer die Erkrankung ist und
je länger sie unbehandelt bleibt, desto höher ist außerdem das Risiko
körperlicher Folgeschäden. Wissenschaftler fanden heraus, dass der hohe
emotionale Stress, den besonders lang andauernde Depressionen verursachen,
die Organe schädigt. Deshalb haben Depressive ein deutlich erhöhtes Risiko
beispielsweise für Herz- und Kreislauferkrankungen.
Depression und Sucht
Suchtkranke, beispielsweise Alkoholabhängige sind oft auch depressiv. Umgekehrt können Depressive leicht abhängig werden, wenn sie versuchen, mit dem Alkohol die Depression zu bekämpfen.
Formen der Depression
Bei leichten Depressionen (Minor Depression) treten nicht alle Symptome auf.
Sie sind weniger intensiv als bei den schwereren Depressionen. Trotzdem
sind auch leichte Depressionen behandlungsbedürftig, werden aber besonders
oft nicht erkannt.
Mittelschwere Depressionen (Dysthymia) zeichnen sich durch einen
chronifizierten Verlauf aus. Sie ziehen sich oft über Jahre hin.
Die Betroffenen können nach außen hin zwar ein unauffälliges Leben
führen. Es kostet sie aber enorme Anstrengung, ihr Tagespensum zu
schaffen, weil sie nie völlig gesund sind. Wegen der chronisch
schlechten seelischen Verfassung sind Lebensqualität und
Arbeitsfähigkeit deutlich beeinträchtigt.
Schwere Depressionen (Major Depression) treten in Phasen auf.
Die wichtigsten Kennzeichen sind emotionale Erstarrung und stark
ausgeprägte Antriebslosigkeit. Hoffnungslosigkeit prägt das Erleben.
Gedanken an Suizid kommen ebenfalls oft vor. Die Entschlusskraft ist
völlig gelähmt, die Erkrankten wirken schwerfällig und passiv. Manische
Phasen mit übersteigerter Aktivität können auftreten, sind aber seltener.
Situation der Angehörigen
Angehörige verstehen oft nicht, dass es sich um eine Erkrankung handelt und die Betroffenen tatsächlich nicht anders können. Ratschläge, Durchhalte-Appelle oder wohlmeinende Hilfeversuche sind deshalb nutzlos oder sogar schädlich, weil sie die ohnehin vorhandenen Versagensgefühle verstärken. Angehörige stehen vor einer schwierigen Aufgabe: mit dem Erkrankten in Kontakt zu bleiben, sich aber gleichzeitig nicht von seiner schlechten Stimmung hinunterziehen zu lassen.
Entstehung von Depressionen
Die Ursachen von Depressionen sind heute einigermaßen gut erforscht.
Wissenschaftliche Befunde weisen nach, dass es genetische Einflüsse gibt.
Diese bedingen eine höhere Vulnerabilität oder Anfälligkeit. Vor allem bei
schweren Depressionen fanden die Forscher, dass sie familiär gehäuft vorkommen.
Dabei handelt es sich aber nicht um eine einfache Vererbung. Nicht jeder,
der vielleicht eine Veranlagung dazu hat, erkrankt zwangsläufig an einer
Depression. Depressionen gehen auch mit biochemischen Veränderungen
im Gehirn einher: Wichtige chemische Botenstoffe, die die Stimmung
positiv beeinflussen (beispielsweise Serotonin, Noradrenalin und andere),
werden nicht in ausreichender Menge freigesetzt. Dies allein erklärt jedoch
nicht die Entstehung einer Depression. Umwelt- und genetische Faktoren
wirken zusammen und halten sich gegenseitig aufrecht.
Auslösende Ereignisse
Hoher emotionaler Stress kann eine Depression auslösen. Er entsteht durch
belastende Ereignisse wie Trennung. Scheidung oder den Tod eines nahe stehenden
Menschen. Chronischer Stress durch starke, anhaltende Spannungen in der Familie
oder dauerhafte Überlastung können ebenfalls in eine Depression münden.
Doch nicht immer gibt es einen solchen Auslöser. Unabhängig davon treten
die meisten Depressionen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren zum ersten Mal auf.
Abwärtsspirale
Wichtig ist: Bleibt eine erste Depression unbehandelt, besteht die Gefahr,
dass sich daraus eine negative Spirale entwickelt. Ohne konkreten Anlass
kommt es zu neuen depressiven Phasen, die jedes Mal stärker werden. Oder
die anfängliche Trauer schlägt in dauerhaft gedrückte Stimmung um, aus
der die Betroffenen allein nicht mehr herausfinden. Eine Richtlinie:
Dauert eine auffällig düstere Verstimmung länger als drei Wochen an,
könnte das ein Anzeichen für eine Depression sein.
Hilfe und Behandlung
So gravierend eine Depression sein kann, es gibt wirksame Behandlungen.
Auch Vorbeugung nach einer akuten Depression ist möglich und häufig auch
notwendig, um Rückfälle zu vermeiden oder zu lindern. Grundsätzlich gibt
es zwei Möglichkeiten, eine Depression zu behandeln: Psychotherapie und
Medikamente (sogenannte Antidepressiva). Bei schweren und mittelschweren
Depressionen ist eine individuell abgestimmte Kombination aus beidem
inzwischen der Standard. Dabei arbeiten Facharzt und Psychologe eng zusammen.
In leichteren Fällen ist eine Psychotherapie das richtige Mittel.
Antidepressive Medikamente
Schwere Depressionen, oft auch mittelschwere, sollten auch mit Antidepressive
behandelt werden, denn die Erkrankten sind erschöpft und geschwächt. Sie wären
am Anfang der Behandlung mit einer Psychotherapie überfordert. Zur Entlastung
kann manchmal ein Klinikaufenthalt sinnvoll sein, am besten auf einer
Depressionsstation, wo das Personal entsprechend qualifiziert ist.
Antidepressive Medikamente machen nicht abhängig.
Psychotherapie
Die Wirksamkeit von Psychotherapie bei Depressionen ist wissenschaftlich
erwiesen. Sie ermöglicht dem Patienten, seine depressive Grundhaltung zu
bearbeiten und nach einer Depression wieder ins Alltagsleben zurückzufinden.
Die Dauer und die Schwerpunkte der Behandlung hängen vom Einzelfall ab.
Am Anfang wird es nur darum gehen, in unterstützenden Gesprächen dem Patienten
Halt zu geben und ihm zu versichern, dass Heilung möglich ist. Später bietet
sich ein Spektrum von Möglichkeiten an: Tages- und Wochenpläne helfen, das
Leben wieder zu gestalten. In Rollenspielen lässt sich Selbstbewusstsein
üben und man lernt den depressiven Reaktionsneigungen auf die Spur zu
kommen: den Schuldgefühlen, dem schwer Nein-sagen können, der Neigung,
aus alltäglichen Enttäuschungen Katastrophen zu machen, den überhöhten
Ansprüchen an sich selbst. Der pessimistische, einengende Denkstil, der
den betroffenen meist überhaupt nicht bewusst ist, wird deutlich gemacht
und reflektiert. Wichtiger Bestandteil einer Psychotherapie bei Depressionen
ist außerdem, lebensgeschichtliche Hintergründe, Belastungen und Konflikte
aufzuarbeiten und Zusammenhänge zur aktuellen Erkrankung zu verstehen.
Herausgeber:
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen und
Christoph-Dornier Stiftung für Klinische Psychologie